
Das Herz des Nahverkehrs
Hier kommen alle Fäden zusammen. Hier weiß man, was zu tun ist, wenn es brenzlig wird. Hier werden Sekundenentscheidungen getroffen, die den ÖPNV am Laufen halten. Eduard Sturm und seine Kollegen von der Leitstelle sorgen dafür, dass Fahrgäste immer sicher nach Hause kommen.
„Wagen 853, sprechen Sie.“ Eduard Sturm steht an seinem Schreibtisch in der Verkehrsleitstelle der swa und spricht in das Funkmikrofon, das vor ihm steht. Er wirft einen Blick in einen seiner sechs Bildschirme vor ihm und kann sofort den Bus orten, dessen Fahrer ihn angefunkt hat. „Alles klar. Ich gebe es an die Werkstatt weiter.“ Ein kaputter Scheibenwischer – nichts Schlimmes dieses Mal. Er schreibt die Meldung in sein System, damit die Kollegen wissen, was zu tun ist, wenn der Wagen einrückt.
Arbeit in Echtzeit
Eduard Sturm und seine beiden Kollegen Siegmund Schneider und Harald Rehm haben nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch den gesamten Stadtverkehr in Augsburg immer im Blick. Um in Echtzeit verfolgen zu können, wie sich die Lage an einer Unfall- oder Staustelle entwickelt, sehen die drei an der Videowand vor sich auf zwölf Bildschirmen die Bilder von rund 150 Kameras, die über das Stadtgebiet verteilt sind. Das sind Spontanaufnahmen, die nicht aufgezeichnet werden – aber den Verkehrsmeistern ihre Arbeit sehr erleichtern.
Funkspruch annehmen. Lage erfassen. Entscheidung treffen. Was so einfach klingt, kann Stress pur sein. Eduard Sturm ist bereits seit 24 Jahre Verkehrsmeister in der Leitstelle. Es gibt wohl kaum eine Störung, die er und seine Kollegen noch nicht bewältigt haben. Und dennoch: „In diesem Job gibt es keine Routine – und genau deswegen macht er so viel Spaß!“, sagt Eduard Sturm. Jeder Tag sei anders, jeder Funkspruch kann derjenige sein, der den Adrenalinspiegel der drei Verkehrsmeister in die Höhe treibt.
Entscheidungen treffen, die bewegen
Alltägliche Störungen, wie Falschparker, welche die Schienen blockieren, oder kleine technische Störungen an Fahrzeugen, sind damit nicht gemeint. Es sind die Unfälle mit Bussen oder Straßenbahnen, die den Dreien alles abverlangen. „Innerhalb von Sekunden musst du Entscheidungen treffen, alles Wichtige in die Wege leiten und gleichzeitig Ruhe bewahren, obwohl der Druck enorm groß ist“, erzählt Verkehrsmeister Sturm aus seinem beruflichen Alltag.
Denn wenn der laute Unfallton in der Leitstelle ertönt, ist volle Konzentration angesagt: Lage schnell erfassen, Überblick gewinnen, falls nötig Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte verständigen, einen Abschleppdienst organisieren, interne Spezialisten wie den Betriebsleiter und die Pressestelle über die Lage in Kenntnis setzen – und natürlich für Ersatzverkehr sorgen und die Fahrgäste über Lautsprecherdurchsagen und die Fahrplananzeigen informieren.
„Diesen Tag vergesse ich nie!“
In einer normalen Schicht beantworten die drei 150 Meldungen. Doch ein Tag im Winter, der hat Eduard Sturm und seine Kollegen über die Grenzen gebracht: 1.500 Meldungen gingen an diesem Tag ein: Von Bussen, die wegen Glatteis nicht mehr von der Stelle rollten, bis Straßenbahnen, die hinter dem xten Privatunfall zum Stehen kamen. „An so einem Tag gehst du nach Hause und willst einfach nur noch deine Ruhe“, erzählt Sturm.
Besonders wichtig: das Team
Aber eigentlich geht es für Eduard Sturm nach der Arbeit nur selten aufs Sofa. Um den Stress der Verkehrsleitstelle hinter sich zu lassen, tritt er in die Pedale seines Mountainbikes oder geht im Winter Schneeschuhwandern. Zuletzt hat er mit drei Kollegen eine einwöchige Mountainbiketour durch Italien gemacht. Die Mitarbeiter der Leitstelle sind nicht nur hinter ihren Bildschirmen, sondern auch außerhalb der Leitstelle ein tolles Team. Das ist in den Stresssituationen, in denen sich die Verkehrsmeister teilweise befinden, wahrscheinlich auch der wichtigste Baustein für schnelle und zielführende Lösungen.
Bild: vmm wirtschaftsverlag / Daniela Kreisl